Verkehrsfreigabe B57n

Verkehrsfreigabe der Umgehungsstraße B57n

Schöne Reden mit falschen Zahlen

 

Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Baesweiler Stadtrat:

 

 

Baesweiler. Am 25. Februar 2014 ist die neue Umgehungsstraße B 57n westlich von Baesweiler offiziell für den Verkehr freigegeben worden. Ausgesprochen erstaunt war die Baesweiler Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen über die in der lokalen Presse wiedergegebenen Zitate der Akteure aus verschiedenen Ministerien. Fraktionsvorsitzender Rolf Beckers hat daher einige belegbare Zahlen und Fakten aus seinem Archiv recherchiert und nimmt hierzu wie folgt Stellung:

 

Anlässlich der Verkehrsfreigabe der Umgehungsstraße B 57n wurde der Staatssekretär im NRW-Verkehrsministerium, Gunther Adler, mit den Worten zitiert: „Das ist eine Ortsumgehung, bei der es nur Gewinner gibt.“ Dieser Aussage möchte ich heftig widersprechen. Denn diese Ortsumgehung ist letztlich „in Zeiten knapper Kassen“ ein weiteres Beispiel für eine unverantwortliche Verschwendung öffentlicher Gelder. Diese Straße hätte, wenn die Verantwortlichen bereits in der Planungsphase nicht mit Phantasiezahlen und Wunschvorstellungen operiert hätten, in dieser Form nie realisiert werden dürfen. Mit gut 17 Millionen Euro wird der aktuelle Investitionswert angeben. Das sind jedoch nicht, wie behauptet, knapp drei Millionen weniger als veranschlagt, sondern 7,5 Millionen mehr als ursprünglich geplant. Denn auf 9,5 Millionen Euro bezifferte der Leiter der Planungsabteilung des hiesigen Landesbetriebs Straßenbau NRW im April 2008, also wenige Monate vor Baubeginn, die Gesamtkosten des Projektes. Beim ersten Spatenstich zum Baubeginn am 11. August 2008 lag der Wert der offiziell bekannt gegebenen Gesamtkosten bereits bei 12,1 Millionen Euro. Selbst wenn man wohlwollend letztere Zahl zugrunde legt, ist die Straße folglich über 40 Prozent teurer geworden als kalkuliert. Verantwortlicher Umgang mit Steuergeldern sieht anders aus!

 

Ähnlich wenig vertrauensvoll wurde mit Terminankündigungen umgegangen. Zum Spatenstich im August 2008 wurde vollmundig verkündet, dass die neue Straße bereits Ende 2011 fertig wäre, und zwar die gesamte Strecke. Im Oktober 2011 war zwar etwas fertig gestellt, aber nur der nördliche Teilabschnitt zwischen Immendorf und der Landstraße L 225. Der jetzt eröffnete südliche Teilabschnitt ließ weitere zweieinhalb Jahre auf sich warten, auch wenn der Landesbetrieb bereits letzten August die Verkehrsfreigabe für Ende 2013 ankündigte.

 

Bei der Frage nach dem realistischen Umgang mit Zahlen sollte nicht zuletzt der Blick auf die erwartete Verkehrsentlastung gerichtet werden. Beim Spatenstich 2008 kündigte der damalige NRW Verkehrsminister Oliver Wittke 40 Prozent Verkehrsentlastung auf der alten B 57–Ortsdurchfahrt an, also auf der Aachener Straße in Baesweiler und der Hauptstraße in Setterich. Obwohl nach der Eröffnung des nördlichen Teilstücks der Umgehungsstraße im Oktober 2011 bereits der komplette Verkehr aus Richtung Linnich bzw. der Autobahnabfahrt Aldenhoven in Richtung Gewerbegebiet die neue Trasse hätte nutzen können, blieb es dort erstaunlich ruhig, während sich der Kfz-Verkehr einschließlich der schweren Lastzüge weiterhin durch die Settericher Hauptstraße quälte – von Entlastung keine Spur! Denn der Verkehr, der ins Stadtgebiet Baesweiler, einer Stadt mit rund 28.000 Einwohnern, hinein- und hinausfließt, ist in allererster Linie Verkehr mit Ziel oder Quelle in Baesweiler. Echter Durchgangsverkehr, z.B. von Aachen oder Alsdorf nach Linnich oder Mönchengladbach und umgekehrt wird in den seltensten Fällen die Bundesstraße 57 benutzen, sondern stattdessen die unweit parallel verlaufende Autobahn A 44. Den Durchgangsverkehr in Ost-West-Richtung fangen dagegen die bestehenden Umgehungsstraßen B 56 und L 240 ab.

 

Auch wenn die nun komplett freigegebene Neubautrasse stärker genutzt wird, von einer 40-prozentigen Verkehrsentlastung der „alten“ B 57 wird die Realität weit entfernt sein. Das ist, wenn man sich die weit von der Baesweiler Ortsdurchfahrt abgesetzte Trassenführung der neuen B 57n ansieht und die oben beschriebenen Einflussgrößen beachtet, auch kein Wunder. Die neue Ortsumgehung B 57n ist letztlich nichts anderes als das verbliebene Reststück einer in den 1960er Jahren geplanten Autobahnverbindung Aachen-Krefeld, ein Störkörper, welcher nun als Fehlplanung die Landschaft westlich von Baesweiler zerschneidet. An diesen Umständen können weder schöne Reden noch ein Operieren mit falschen Zahlen etwas ändern.

Zurück