Einladung zum Nachdenken: Ukraine

Eckhart Günther über Konsum, Unabhängigkeit, gemeinschaftliches Handeln und warum ökologisches Handeln sicherheitsrelevant ist.

Welchen Einfluss hat jeder einzelne auf die Konsequenzen des Ukraine-Krieges?

Die Abhängigkeit Europas insbesondere aber Deutschlands von russischen Energie- und Rohstofflieferungen hat sich in den letzten 30 Jahren so dramatisch entwickelt, dass wir die Kriegsfolgen nun spüren. Rohstoffe und fossile Energieträger steigen im Preis, weil die Märkte von Verknappungen ausgehen.

Putin glaubt noch immer er hätte Macht über uns. Aber unsere Politiker spielen sein Spiel nicht mehr mit. Seine Macht über uns lag in unserer Angst vor Krieg und unserer Bequemlichkeit, die Komfortzone zu verlassen.

Als Folge unserer Entscheidung der Freiheit den Vorrang zu geben, sind nun Verknappungen zu erwarten und Preissteigerungen werden sich noch verstärken.

Können wir etwas dagegen tun?

Natürlich! Bundeswirtschaftsminister Habeck hat begonnen, massiv andere Märkte zu gewinnen. In der Folge wird die Abhängigkeit von Russland sinken. Im Jahr 2024 werden wir die russischen Lieferungen nicht mehr benötigen, so seine Einschätzung. Aber wird Russland bis 2024 liefern? Und ist es gut, dass wir mit der Bezahlung der russischen Lieferungen den russischen Krieg weiter finanzieren?

Ich bin skeptisch. Wir alle können etwas tun, um unsere Durchhaltefähigkeit zu stärken! Wir alle können etwas tun, um den Preisauftrieb flacher zu halten!

Sinkt die Nachfrage, sinkt der Preis. Wird weniger verbraucht, hält die Bevorratung länger.

Bis die Machtelite Russlands die Bereinigung der Machtverhältnisse innerhalb Russlands eigenständig vornimmt, kann es Jahre dauern. Also werden auch unsere wirtschaftlichen Maßnahmen Jahre dauern müssen. Keiner kann mit notorischen Lügnern einen nachhaltigen Frieden schließen. Im Frieden muss man sich schließlich vertrauen!

Wir alle sind Teil des Marktes. Wir steuern durch unser Verhalten die Entwicklung des Marktes. Halten wir unsere Raumtemperaturen im noch erträglichen Maß, werden wir deutlich weniger Energie verbrauchen. Unser Vorteil ist die geringere Beanspruchung unseres Budgets. Der Vorteil für unsere Volkswirtschaft ist die geringere Nachfrage und damit der geringere Devisenverbrauch zur Stillung der Nachfrage. Wir bleiben wohlhabender. Und auch andere Volkswirtschaften haben einen geringeren Preisdruck.

Dasselbe gilt bei der Mobilität. Nutzen wir mehr öffentliche Verkehrsmittel, fahren diese effizienter und wir müssen weniger Treibstoff kaufen. Fahren wir im Individualverkehr langsamer und defensiver, müssen wir weniger Treibstoff kaufen. Insgesamt sinkt die volkswirtschaftliche Nachfrage. Weiter: siehe oben.

Auch der Bekleidungsrausch mancher Mitbürger*innen hat einen erheblichen Ressourcenverbrauch zur Folge. Nicht nur Unmassen des knappen Gutes Wasser, sondern eben auch sehr viel Energie, die es jetzt einzusparen gilt, werden dafür gebraucht. Kaufen wir Qualitätskleidung und tragen diese länger, sinkt die volkswirtschaftliche Nachfrage. Weiter: siehe oben.

Auch bezogen auf die kritischen Rohstoffe (Nickel, seltene Erden etc.) hilft es kolossal, die Nachfrage zu senken. Wenn wir nicht immer das neueste Produkt kaufen, sondern unser Altes vielleicht einmal mehr reparieren lassen, das Fahrzeug oder das elektrische Gerät, das mit Chips gesteuert wird, länger benutzen, tragen wir bei, die Knappheit zu beseitigen. Weiter: siehe oben.

Das noch existentiellere Thema sind die Nahrungsmittel. Menschen, die in freier Luft harte Arbeit verrichten, die in kalten Kellern ängstlich ausharren oder weite Strecken mit dem Nötigsten beladen in ständiger Angst fliehen, brauchen deutlich mehr Nahrung zum Überleben. Krieg erzeugt also eine erhöhte Nachfrage.

Darüber hinaus werden Kriegsteilnehmer versuchen, die Reserven ihres Feindes zu vernichten, um selbst relativ länger durchhalten zu können. Die russischen Streitkräfte praktizieren dies zurzeit.

Im Kriegsgebiet wird die Landwirtschaft erheblich beeinträchtigt oder gar an ihrer lebenswichtigen Tätigkeit gehindert, ggfs. werden Ernten vernichtet werden. All dieses führt zu erheblicher Verknappung und enormem Preisauftrieb.

Nun sind Russland und die Ukraine weltweit betrachtet enorm wichtige Lieferanten von Getreide und Speiseölen, so dass die UN schon jetzt voraussagt, dass es zu Hungersnöten in Afrika auf Grund des Krieges in der Ukraine kommen wird. Die EU hat reagiert, indem sie Flächen zur Bewirtschaftung freigegeben hat, die bisher zum Schutz der Artenvielfalt dienten. Aber das wird nicht reichen, um das Defizit an Nahrung auszugleichen. Zumal wir einige Millionen Ukrainer zusätzlich mit Nahrungsmitteln versorgen müssen, die bisher für sich selbst gesorgt haben.

Was können wir Individuen tun? Wir könnten unsere Gewohnheiten der neuen Situation anpassen.

Um denselben Nährwert für den Menschen herzustellen, brauchen wir bei Fleischproduktion die siebenfache Fläche gegenüber vegetarisch ausgerichteter Flächennutzung. Die Mast von Geflügel, Schweinen und Rindern erfolgt nicht nur durch Soja, deren Produktion schon jetzt unersetzliche Urwaldareale zum Opfer gefallen sind, sondern auch Getreide, das jetzt in erster Linie eine Verknappung erfährt.

Wichtiger denn je ist es also: Nur einkaufen, was man auch wirklich braucht und verbrauchen kann. Noch immer werden tausende Tonnen Nahrungsmittel durch Unachtsamkeit vernichtet. Nahrungsmittel müssen nicht immer im Überfluss zu Verfügung stehen. Containern muss legal werden.

Stellen wir doch unseren Speiseplan um und zeigen unseren Nachbarn, dass es trotzdem schmeckt. Weniger Fleisch essen wird die zu erwartende Hungersnot in Afrika lindern. Weniger Fette und Öle zu gebrauchen, wird unserer eigenen Gesundheit nutzen und zur Folge haben, dass die Nachfrage sinkt. Die Folgen: siehe oben

Wir brauchen dafür keine Gesetzesänderungen, sondern nur ein gemeinschaftlich verändertes Verhalten.

Sicher, der ein oder andere verlässt dabei ein Stück seiner Komfortzone. Aber sollen die Ukrainer allein den Preis für unser aller Freiheit bezahlen?

Natürlich wird das alles Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben. Preis der Freiheit? Nicht nur, denn es wird auch erheblich zur Verminderung unseres CO2-Abdruckes beitragen.

Ich weiß, das haben DIE GRÜNEN schon vielfältig angeregt, aber ab heute ist es ebenso sicherheitsrelevant wie die erneuerbaren Energien. Lasst uns den Preis für die Freiheit entrichten, den Ukrainern etwas von der Last dieses Freiheitskampfes von den Schultern nehmen und auf die Straßen gehen, um die Menschen zu bitten, für die Freiheit ihre Komfortzone ein Stück weit zu verlassen.

Mit herzlichem Gruß

Eckhart Günther; Bündnis 90/Die Grünen, OV Baesweiler

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